Am 06.12. habe ich meine Hardware und meinen Dienstausweis im Bundesverwaltungsamt zurückgegeben. Eine Antwort auf meine Abschiedsmail, die mich noch vor Abgabe der Geräte erreichte, lautete folgend:

»Das waren bestimmt wilde und anstrengende Jahre«

Besser hätte ich es nicht sagen können.

Das bezieht sich weniger auf das Kompetenzzentrum Open Data — ich habe unseren progressiven Mikrokosmos geliebt 💕 — oder den fachlichen Gesprächen, sondern vielmehr auf das Bundesverwaltungsamt bzw. die Bundesverwaltung / auf Führungskräfte. Irritierende politische Aussagen 1 2 3 4 aus dem Bundesinnenministerium spielten sicherlich auch eine Rolle.

gründe

  1. Organisations- und Arbeitskultur

    • Technische Infrastruktur: Eigentlich habe ich nur eine 4-Tage-Woche gearbeitet, weil die Infrastruktur regelmäßig überlastet war (wie so viele Kolleg*innen auch..)
    • Meeting-Kultur: Eine Stunde ohne Meeting, ist keine Arbeitsstunde.
    • Risiken: Gefahren lauern überall. Besonders in den Chancen.
    • Bürokratie: Es ist einfacher deine Steuererklärung online abzugeben, als dich für eine interne Fortbildung zu registrieren.
    • Wissensmanagement: nicht zentral und nur rudimentär (z.B. Haushalt, Beschaffung, Selbstorganisation). PS: Warum möchte jedes Referat das On-Boarding neu erfinden?
  2. Hierarchie u. Macht

    • Hierarchisches Handeln: Gewisse Entscheidungen waren fachlich nicht mehr begründbar.
    • Veränderungsmanagement wird propagiert, aber in Stresssituationen nicht gelebt.
    • Feedback-Kultur: Probleme werden von Führungskräften erkannt, es wird aber häufig nicht gehandelt. Bottom-Down Verbesserungsvorschläge werden relativiert.
    • Falsche Anreize: ein Telearbeitsplatz sollte nicht als Anreiz für bessere Leistung zweckentfremdet werden.
    • Vebote: Mir wurde das Gendern in einem Zeitungs-Interview verboten (!). Schon witzig, weil.. egal, anderes Thema 🤦🏾‍♂️
  3. Glaubwürdigkeit u. Vertrauen
    Ein Mitspracherecht bei Neueinstellungen im Kompetenzzentrum Open Data war eine zwingende Anforderung meinerseits während des Bewerbungsprozesses vor über zwei Jahren. Das wurde nicht eingehalten. Bis heute verstehe ich den genauen Grund nicht. Die Argumentation seitens Führungskraft änderte sich jedoch auch im Wochentakt. Diese Situation war symptomatisch für die letzten 12 Monaten. Vertrauen ist elementar für eine erfolgreiche und effiziente Zusammenarbeit.

Einige dieser Gründe sind durch Strukturen begründbar und kurzfristig nur schwer zu beeinflussen. Andere wiederum betreffen die direkte Zusammenarbeit und sind somit formbarer. Know how to pick your battles!

my two cents 🪙

Moderne Führungsqualitäten sollten im Vetting-Prozess bei Einstellungen bzw. Beförderungen stärker berücksichtigt werden. Ansonsten liegt die Befürchtung nahe, dass nur noch Ja-Sager*innen in der Verwaltung übrig bleiben. Das kann nicht in unserem Interesse liegen.

…an die progressiven Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung: Seid (manchmal) bewusst naiv und schützt euer Team!

happy new year 🎉

Rutscht gut ins neue Jahr! Meine Mama sagt die nächsten Jahre sollen toll werden laut Hindu-Astro-Zeugs. Ich glaube ausnahmsweise mal daran 🙃


  1. Nancy Faesers Wahrheit über Rassismus, Tagesspiegel  ↩︎

  2. Vorratsdatenspeicherung: Faesers verwirrender Vorstoß, netzpolitik.org  ↩︎

  3. Gegen Koalitionsvertrag: Innenministerin Faeser will Sicherheitslücken offenlassen, netzpolitik.org  ↩︎

  4. Positionspapier zu Chatkontrolle: Innenministerin Faeser will Koalitionsvertrag brechen, netzpolitik.org  ↩︎